Attersee: Erster Grüner Bürgermeister im Interview

Sehr geehrter Herr Hemetsberger, Sie sind Bürgermeister von Attersee geworden. Es ist bei der Wahl ein fröhliches Raunen durch die Ortsgruppen des Bezirkes gegangen, nach dem Motto bei der Papstwahl „Wir sind Bürgermeister“. Wie ist es Ihnen gegangen bei dem Gedanken Bürgermeister zu werden.

(lacht) . Ich habe es lange nicht in Betracht bezogen, wenn ich mir auch bewusst war, dass eine Chance besteht. Weil ich bis zum Schluss Zweifel hate, hatte ich nicht einmal eine Wahlparty organisiert und tatsächlich waren Leute verschnupft, weil es keine Einladung gab. 

Was überwog, Freude über den Sieg oder Respekt vor der Aufgabe?

Eindeutig der Respekt. Es ist tatsächlich eine große Aufgabe. Man trägt ja rund um die Uhr Verantwortung. Besonders in Notfällen muss man schnell zur Stelle sein und wenn man den Bau eines Gebäudes erlaubt, muss man wissen, dass man eine Entscheidung für die nächsten hundert Jahre getroffen hat. 

Bildquelle: Wikimedia Commons, User „Eweht“

Sind Sie in den Genuss einer Hundert-Tage-Gnadenfrist gekommen?

Was die tägliche Verwaltung angeht, nicht. Hier habe ich zum Glück auch gute MitarbeiterInnen. In politischer Hinsicht gab es schon konkrete Wünsche an mich, da hatte ich noch die Stichwahl vor mir. Aber es hilft nichts, man muss sich Zeit lassen. Wir haben etwa gleich einmal ein Budget beschlossen, aber gestaltet haben wir es nicht wirklich. Das ist so in Übergangsphasen. 

Sie haben in Ihrer Position keine Vorbilder. Zwar gibt es GRÜNE Bürgermeister in Städten, etwa Innsbruck, aber Bürgermeister einer kleinen Landgemeinde zu werden, klingt doch fremd. Ist den Kühen in Attersee denn die Milch sauer geworden bei Ihrer Ernennung?

(lacht) Weiß ich ehrlich gesagt nicht. Ich habe jedenfalls den Grundsatz mit allen zu reden, auch mit den Bauern und notfalls auch mit ihren Kühen. Das habe ich auch im Wahlkampf schon gemacht und ich habe mich von Bauern kritisieren lassen für das, was wir GRÜNE machen.  Wenn wir die Welt verändern wollen, und das wollen wir, müssen wir Mehrheiten finden und dafür müssen wir mit allen reden.

Die Grünen sind eine junge Partei und waren fast immer in ihrer Geschichte in Opposition. Da hat man sicher Tagträume wie ein Kind „Wenn ich einmal groß bin, mache ich alles anders“. Jetzt ist es hier in Attersee so weit: Was machen Sie tatsächlich anders, weil Sie jetzt endlich die Macht haben, es anders zu machen?

Ich will größtmögliche Transparenz und BürgerInnenbeteiligung. So veröffentlichen wir neuerdings alle Protokolle aktiv, damit die BürgerInnen sie lesen können. Auch sollen die Leute mitgestalten können, wo es nur geht. Und die kleinen Oppositionsparteien laden wir in den Vorstand ein, obwohl sie kein Recht hätten. Sie sollen informiert sein und mitreden. Das ist meine Art als Grüner.

Sie haben auch eine Art Koalitionsabkommen mit den anderen Parteien geschlossen.
Wie kam das?

Ja, die Idee habe ich vom Land, wo man das auch so macht. Gleich nach der Wahl sind wir auf die anderen Parteien zugegangen und haben das Gespräch gesucht. In dem Übereinkommen steht alles drinnen, worauf wir uns einigen konnten, was Konsens ist. Das ist auch wichtig, denn im Wahlkampf haben alle Parteien den BürgerInnen Versprechungen gemacht, und in dem Papier steht, was davon noch im Rennen ist. Alles werden wir nicht umsetzen können, nicht weil wir unwillig sind, sondern weil es so viel ist, was wir uns vorgenommen haben. Das Papier ist öffentlich und die WählerInnen können uns am Ende der Funktionsperiode daran messen.

Wenn man in die Geschichte zurück geht, waren es in den Landgemeinden immer die Bauern und die Gewerbetreibenden, die sich in der Politik engagieren. Die Bauern,
weil sie das Land bestellen und die Gewerbler weil sie die Dinge machen. Sie gehören zu keiner der beiden Gruppen und waren als Geschäftsführer tätig. Wie kommen Sie zu so einer großen Fraktion?

Das liegt an der Gunst der Stunde. Im alten Gemeinderat hatten sich die Fraktionen ineinander verkeilt, wiewohl die Einzelnen das Beste wollten. Das hat auch etwas mit sehr schwierigen Entscheidungen zu tun, die für die kommende Landesausstellung zu treffen waren. Wir waren die willkommene Alternative. Noch dazu wussten wir, dass es hier in Attersee große Sympathien für die Grünen gibt, etwa weil ganz viele für Alexander van der Bellen gestimmt hatten. 

Attersee hat mit vielen Gemeinden im Bezirk gemeinsam, dass viele hier her ziehen wollen, weil es da so schön ist. Die wohl heikelste Aufgabe in einer Gemeinde ist die Aufsicht über das Bauen. Nun hat OÖ seit einem Jahr ein neues Raumordnungsgesetz. Bewährt es sich?

Da bin ich gut informiert, weil ich auch ein Landtagsmandat habe und für Raumordnung zuständig bin.  Das Gesetz ist gut und ambitioniert. Es enthält alle Kriterien, die für die Zukunft wichtig sind. Sparsamer Umgang mit dem Boden, Vermeidung von Zersiedelung, Rücksicht auf die Natur. Leider stehen alle Ziele des Gesetztes gleichwertig nebeneinander. Wenn also jemand für Arbeitsplätze achtzehn Hektar Wald, wie in Ohlsdorf, abhacken will, dann geht das noch immer. Es ist noch immer legal. Somit habe ich manchmal das Gefühl dass wir in den 70ern stehen geblieben sind, wo bei der Frage Natur oder Arbeitsplätze immer die Arbeitsplätze gewonnen haben.

Und wie ist das im Wohnbau? In besonders schönen Gegenden wie hier siedeln sich auch besonders wohlhabende Leute an, die dann die Adabeis nachziehen. Am Ende haben wir eine Elitenagglomeration, wo nicht mehr die Bauwerber sondern deren Anwälte hier bei Ihnen im Amt auftreten. 

Im Wohnbau haben wir tatsächlich eine Schieflage. Wir haben mehr Freizeitwohnsitze als Hauptwohnsitze. Das heißt mehr als die Hälfte der Bevölkerung wohnt nur im Sommer ein paar Wochen lang hier. Andererseits haben wir Mühe, die Volksschule aufrecht zu erhalten, in der Klasse meines Sohnes sind gerade einmal acht Kinder. Die Preise der Baugründe steigen sehr schnell wegen der potenten Käuferschicht, und weil sie gehortet und nicht bebaut werden. So werden sie zu Spekulationsobjekten. Ich bin froh und dankbar, dass vor einem Jahr der vorherige Bürgermeister Attersee zu einem Vorbehaltsgebiet erklärt hat, was weitere Freizeitwohnsitze verbietet. Das ist ein erster Ansatz das Problem anzugehen. 

Vor den Anwälten, die sehr wohl daher kommen, schrecke ich mich aber nicht. Wir kommen auch nicht auf der Nudelsuppen daher geschwommen. Wenn wer glaubt Druck machen zu können, animiert mich das eher besonders genau hinzusehen. Im Zweifel holen wir ein Rechtsgutachten ein. Die Bauordnung und die Raumordnung sind Landesgesetze, die eingehalten werden müssen.  Das Vorbehaltsgebiet gibt uns nun noch eine Handhabe. 

Die Gemeinde ist auch regelmäßig Auftraggeber. Hier herrscht einerseits das Gebot, man möge den örtlichen Gewerbetreibenden Aufträge zukommen lassen, andererseits gibt es das Gebot der Sparsamkeit. Es gibt ja eine gewisse Gewohnheit unter Wirtschaftstreibenden, bei der öffentlichen Hand teurer anzubieten, weil es dreht sich eh nur um das Geld der Steuerzahler. 

Wir sind recht genau bei der Auftragsvergabe und holen immer mehrere Angebote ein. Das lohnt sich, weil die Unterschiede oft beträchtlich sind. Außer bei Kleinstaufträgen gehen wir bei Ausschreibungen schon über die Gemeindegrenzen hinaus. Gerne würden wir die Aufträge ökologisieren. Unseren Kindergarten würden wir gerne in Holzbauweise errichten. Das ist teurer wie ein Ziegelbau, aber das Land gibt keine höheren Zuschüsse deswegen. Gleichzeitig gibt es eine Holzbauinitiative des Landes. Das ist ein Widerspruch, mit dem wir leben müssen.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Hemetsberger, die Aufgaben eines Bürgermeisters scheinen unendlich. Interviews dürfen es nicht sein, sonst liest sie keiner mehr.  Ich danke für das Gespräch.

Hier gehts zu der Grünen Gemeindegruppe Attersee:

Das Interview führte Andreas Pillichshammer von den Grünen Oberwang